Frau Holles Stein
Mindestens seit 1999, nämlich als wir in diese Gemeinde zogen, kenne ich den Hohlstein.
Beim Spazierengehen ums Dorf oder auf Autotouren in der Umgebung ist er immer wieder zu sehen, ein großer, sanft gerundeter, bewaldeter Hügel, fast siebenhundert Meter hoch. Und obwohl ich mir
die Namen der Berge und Hügel ringsherum von Anfang an ziemlich gut merken konnte, hatte ich seinen Namen die ganzen Jahre hindurch immer wieder vergessen, wenn ich ihn sah. Das war schon richtig
auffällig, und im letzen Jahr bin ich sehr konzentriert drangegangen, ihn mir endlich einzuprägen, mit Erfolg.
Und erst vorgestern Abend, einen Tag bevor ich ihn im Zuge meiner Etappenwanderung auf dem Hochrhöner Wanderweg überqueren wollte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen – natürlich, das ist ein
Holle-Platz! Eine intensive Internetrecherche bestätigte meine Annahme. Als ich dann am nächsten Tag tatsächlich dort oben war und auf einer Bank rastete, fand ich den Gipfel nicht, bzw. konnte ihn
nicht sehen, obwohl er ganz in der Nähe sein musste – seltsam. Ich schaute auf meine Wanderkarte, wo er eingezeichnet ist, und auf die Wege drum herum, aber ich sah ihn nicht. Ihn suchen wollte
ich zu diesem Zeitpunkt nicht, denn ich war ja auf diesem speziellen Wanderweg unterwegs, dessen Streckenverlauf aber grad an dieser Stelle geändert worden war – weitere Verwirrung.
Ich erzählte das alles Walter, und gemeinsam suchten wir den Gipfel am nächsten Tag von unten auf der Straße aus dem Auto heraus, fanden aber nichts Eindeutiges. Irgendwo oberhalb dieses kleinen
Dorfes, durch das wir fuhren, musste er wohl liegen. Und da fiel mir ein, dass ich vor etwa fünfzehn Jahren mit einer Gruppe von Frauen, von denen eine in dem Dörfchen unten gewohnt hatte, dort
oben unter riesigen Fichten Beltane gefeiert hatte. Es war dunkel gewesen, als wir hochstiegen, und ich wusste nicht so richtig, wo wir uns befanden. Das war ein denkwürdiges Fest. Die Frau aus
dem nahen Weiler hatte etliche Reisigbesen mitgebracht, die sie auf dem Speicher ihres neu bezogenen Hauses gefunden hatte, und im Verlauf der etwas chaotischen aber wunderbaren Feier entledigten
sich einige der Frauen spontan ihrer Kleider und liefen nackt durch den Wald. Ich war leider nicht dabei, und viel mehr erinnere ich auch nicht davon.
Zwei Tage nach meiner vergeblichen Suche fuhr ich mit dem Auto hoch bis zum Hotel und ging von da an einfach immer bergauf. Nach ca. 500m kam ich an ein großes, von Fichten und Buchen umstandenes
und mit einem Weidezaun eingegrenztes Plateau. Auf der einen Seite der Weide wachsen auch große Buchen, und eine riesige Fichte steht ein Stück weiter allein. Sie hat zwei Stämme oder Äste, die
aus einer Stelle im Boden heraus wachsen und sehr dick und knorrig sind. Und ganz am Rand der ebenen Fläche, am höchsten Punkt des Hügels, direkt am Stacheldrahtzaun ein großer Stein. Mein erster
Gedanke war: Na, der ist auch nicht von allein hier herauf gerollt. Zumal es keine anderen von annähernder Größe gibt. Ich ging näher und siehe da, oben hat der Stein eine Vertiefung wie ein
Hollestein. Das Wasser, welches sich darin sammelt, gilt als besonders heilsam und Fruchtbarkeit bringend.
Dieser Platz scheint ziemlich vergessen zu sein, denn ich fand in dem alten Schnee keine anderen Fußspuren als meine. Rasselnd spürte ich eine mächtige, sanfte Präsenz von etwas wirklich Großem über diesem Platz, und kurz tauchte eine Frau in einem blauen Leinenkleid auf mit weißer, gestärkter Haube, wie eine tüchtige Hausverwalterin. Ich dachte, so haben die Menschen, die hier feierten, sie vielleicht gesehen.
Ich setzte das mitgebrachte Kerzenglas und das rot verpackte Schokoladenei in die schneebedeckte Mulde
und weiß, dort bin ich bestimmt nicht zum letzten Mal gewesen.
April 2013
Mimameide
steht auf der Heide.
Hat ein grünes Röckchen an,
sitzen drei schöne Jungfern dran.
Die eine schaut nach vorne,
die andere in den Wind,
die dritte an dem Borne
hat viele, viele Kind.
(frei nach Wikipedia)